Mittwoch, 21. Oktober 2015

Wieso schreib ich eigentlich diesen Blog?

Wieso schreib ich diesen Blog, frage ich mich in den letzten Wochen immer wieder. Mir geht es doch gut, mein Leben unterscheidet sich jetzt wenig von dem anderer Mütter. Meine größte Sorge ist, dass die Kinder nachts immer noch aufwachen und ich deshalb manchmal Schlafprobleme bekomme, obwohl der Vater nachts allein für sie zuständig ist und ich also schlafen könnte.
Gut ich habe einmal mit dem Blog angefangen, also muss es auch zu Ende gebracht werden. Andere schreiben Blogs aus alltäglicheren Anlässen. Und ganz normal ist es ja nun auch doch nicht.
Gestern musste ich mir aus der Uniklinik wieder mal das Rezept für die Knochenspritze abholen, die Busfahrt dahin und schlechtes Liegen nachts hatte danach bis jetzt für eklig Schmerzen gesorgt.
Schmerzen; wie fühlen die sich an? Ich will es nicht beschreiben, sie sind aushaltbar, jedoch kommt bei vielen Schmerzen auch immer wieder ein Flashback, wie schlimm es mal war. Wenn es irgendwo zippt, dann sind die Ängste schlimmer als die Schmerzen. Die Schmerzen sind spätestens beim Liegen in Ordnung. Wenn es also zippt, dann erinnere ich mich wieder, wie es war, wie ich zusammenbrach, mich nicht bewegen konnte und die Kinder dann ohne Hilfe waren.
Ich hatte mein Leben lang keine Rückenschmerzen gekannt (mit Ausnahme der Schwangerschaft ...), außer Verspannungen im Nacken, nun hatte ich Rückenschmerzen, die mich in die Knie zwangen. Der erste Zusammenbruch passierte als ich im Vierfüßlerstand auf dem Bett die Babys hin und her legte. Vermutlich war ich da ein Moment nur auf den Knien und der Oberkörper nach vorn gebeugt. Diese Position kann ich seid ein paar Wochen wieder mit großer Anspannung einnehmen. Vorher zippte es noch bedrohlich. Bei diesem ersten Mal "blockierte" sich auch irgendwelche Wirbel, ich brach zwischen den Kindern zusammen und fühlte mich wie zweigeteilt und konnte gar nicht aufstehen (vielleicht hatte ich da auch den Bandscheibenvorfall bekommen). Mein Partner rief ich um Hilfe, er brachte mich wieder nach oben. Die Blockierung konnte die Pysiotherapheuten mit einer einfachen Bewegung wieder raus bringen, seid dem gab es nur kleinere ähnliche Blockierungen. Recken und Strecken und kleine Bewegungen bringen da etwas.
Nach dem ersten Zusammenbruch hieß es "Muskeln sind zu schwach" + ISG-Blokaden + keine Bauchmuskeln wegen dem riesigen Bauch + loses Bindegewebe wegen Stillen. Angst vor Folgen von PDA bestanden am Anfang auch noch. Mit der ersten Diagnose lebte ich dann 2 Monate in denen ich immer wieder zusammenbrach und sehr verzweifelt wurde, teilweise konnte ich mir die Zusammenbrüche erklären; ich hatte halt viel "Sport" gemacht, z.B. vier Stunden wandern (ohne Gepäck).
Warum bin ich nicht zum Arzt gegangen: Ich war zu Hause allein, konnte die Babys nicht tragen und konnte so gar nicht zu einem Arzt gehen. Und die Babys wollten ja fast stündlich was trinken. Ich war also nur bei der Frauenärztin wegen PDA und bei einem Chiropraktiker, der nicht viel fand.
Es gab ganz bunte Symptome: Mal hatte ich keine Kraft zu sitzen. Mal fühlte sich alles super überentspannt an, so als ob ich keine Muskeln mehr hätte - wie bei Babys. Ich war aber so motiviert wieder zu sitzen, dass ich es versuchte, an einem Tag brauchte ich eine Stunde bis es klappte. Dazu musste ich aber heftig alle Muskeln bis zum Beckenboden anspannen. Es erinnerte mich an die Szene aus dem Film Kill Bill in dem die Protagonistin, aus dem Komma erwacht und erstmal eine Weile ihre Füße anschaute und ansprach "bewegt euch". Mehr als Vorstellen von Bewegungen ging oft nicht. Oft zuckte ich im Bett beim Biegen des Rückens ins Holkreuz zusammen (manchmal waren die Babys auf mir und wurden mit gezuckt... ). Wenn mein Partner im Bett lief, konnte ich die Bewegungen, die er verursachte nicht ausgleichen mit den nicht vorhandenen Muskeln und ich zuckte zusammen. Wir zogen dann für drei Monate auf das Sofa, das schön hart war und nichts wackelte und ich mit einer Kiste unter den Beinen in Stufenlagerung sechs Wochen geschlafen habe, die Babys dabei auf mir. Der Gang ins Bett war super kompliziert: es mussten diverse Kissen für mein Hohlkreuz, die Kiste und viele besondere Kissen für die Lagerung der Babys links und rechts neben mir an definierten Stellen liegen. Dann konnte ich mich da hin rollen und die Babys - die vorbereitet links und rechts lagen, zu mir ran rollen, zerren und ziehen. Aufstehen ging nur, in dem ich mich an einem Regal hinter dem Bett hoch zog.
Nach dem Zusammenbrechen hatte ich immer wieder den Ehrgeiz auf Toilette gehen zu müssen, weil ich Angst vor Bettlägrigkeit hatte. Das ging auch immer, aber dafür musst ich an einigen Tagen besagte Zeit warten, bis ich aufstehen und mit Krücken mich bewegen konnte.  An anderen Tagen hangelte ich mich an Möbeln und Türleisten entlang. Wiederrum an anderen Tagen und vor allem Nächten bin ich auf allen Vieren gekrabbelt. Das wurde von Anderen zwar als würdelos empfunden, aber ich wollte unbedingt aufs Klo. Und dann gab es auch das eine oder andere Mal, als auf allen Vieren auch nicht ging, weil die Muskeln im Rücken diese große Fläche nicht tragen konnten da konnte ich nur auf Knien, mit abgestützten Oberkörper vorwärts rutschen. Beim Zusammenbrechen krampfte die Muskulatur eine Weile. Ich musste dann teilweise eine halbe Stunde liegen, bis es langsam wieder ging. In dieser Zeit hatte ich zu Hause immer das Handy bei mir, damit ich Hilfe rufen kann. Allein zusammenbrechen ist ja "ok", wenn man nach einer Weile wieder aufstehen kann, aber die Kinder musste ja jemand betreuen. 
Die Verzweiflung war groß, weil es keine Besserung gab sondern jedes Mal irgendwie schlimmer und länger wurde. Ich hatte dann schlimmen Husten bekommen, der so richtig das Kraut fett gemacht hatte. Aber ich redete mir Hoffnung ein: war glücklich das ich auf Krücken in der Wohnung umherlaufen konnte und kuckte mit Angst auf jeden vorbeifahrenden Rollstuhl - sollte das meine Zukunft sein: Nein! Sarkastisch gesehen, ging ein Rollstuhl sowieso nicht, weil ich nicht lange sitzen konnte.
Aus Nichtwissen, hab ich immer wieder falsche Bewegungen gemacht. Im Nachhinein kann ich mir einige erklären: Tragen von Kindern, Drehbewegung beim Fensteröffnen, Husten, beim Aufstehen Oberkörper zu weit nach vorn u.ä. Andere Zusammenbrüche sind vollkommen unerklärlich und kamen aus dem Nichts. Das passierte alles immer zu Hause, wo ich etwas Zeit hatte auf dem Boden zu liegen. Als es dann einmal einfach beim Spazieren passierte, riefen vorbeifahrende Radfahrer den Notarzt - ich war es ja gewöhnt und hatte es fast als normal eingestuft. Der Notarzt lies mich allein auf die Trage grabbeln, wunderte sich über meine Gelassenheit und brachte mich ganz langsam ins Krankenhaus. Da ahnte ich dann eher aus den Reaktionen des medizinischen Personals, dass es doch doof um mich bestellt ist - weil sie so was sich nicht erklären konnten. Im Krankenhaus war ich für zwei Stunden, komfortabler weise hatte ich für das Stillen der Kinder ein extra Warteraum bekommen. Der Orthopäde testete mich auf Bandscheibenvorfall. Dafür muss man sich u.a. auf Zehenspitzen und Ferse stellen - das ging. Er empfahl mir aber, wegen der Krankenhauskeime mit den Zwillingen wieder zu gehen und ambulant ein MRT zu machen. Ich war froh nicht länger im Krankenhaus zu bleiben, hätte aber da bleiben können, zu Hause stillen war angenehmer. Ich fand schon die vier Tage nach der Geburt im Krankenhaus mit Zwillingen Horror: Da man sie kaum ins Bett nehmen kann, weil sie sonst runter fallen und nur in diesem Glaskasten schlafen durften.
Das MRT gab es wegen Verdacht auf Bandscheibenvorfall dann zwei Tage später, nach dem Wochenende auch die Diagnose. Nach der Diagnose hab ich glücklicherweise nie mehr eine falsche Bewegung gemacht, zwei Monate war ich sehr starr herumgelaufen und dadurch brach ich wohl nicht mehr zusammen.
Wenn ich mich jetzt daran erinnere, bin ich wieder froh, wie gut es mir schon ein paar Wochen nach der Diagnose ging und erst recht jetzt. Die Krücken sind im Keller.
Ach, ja jetzt weiß ich auch warum ich den Blog schreibe: Es ist eine Möglichkeit das Erlebte zu verarbeiten. Private Psychotherapie also.

2 Kommentare:

  1. Vielen vielen dank für deinen Blog! Hat mir sehr gut geholfen! Schön, dass es dir besser geht! Alles Gute dir und deiner Familie!

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    1. Das freut mich, dass der Blog dir gefallen hat. Das motiviert mich zum Weiterschreiben

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