Donnerstag, 16. Februar 2017

Do-it-yourself-Psychotherapie



Pechvogel mit Krücken
In der Kommunikation mit anderen Betroffenen merk ich schnell, das viele psychisch angeschlagen sind und auch noch viele Monate nach der Diagnose Ängste haben. Das kann ich absolut nachvollziehen. Auch ich hatte Ängste.
Die Geburt und die Woche danach mit 3 Stunden Schlaf täglich, das war für mich schon der Grund für viele Ängste ... Ängste bis hin zum Untergang der Zivilisation. Berichte über Kriege im Fernsehen (Ukraine) oder Demonstrationen in Dresden (Pegida) gingen gar nicht. Ich hatte gern mal Tatort gesehen, nun bereute ich es, das ich es überhaupt gesehen hätte, weil irgendwie all der Grusel in meinem Kopf sich gespeichert hatte und nun beim kleinsten Anlass rauskam. Ganz vorbei ist es nicht. Tatort möchte ich immer noch nicht schauen.
Es war nicht die erste dunkle Episode meines Lebens, da gab es schon drei weiter: Allein sein in einer neuen Schule; Liebeskummer in der Abizeit und allein in einer neuen Stadt beim ersten Job. Mir erzählte eine Hebamme, wenn man mal Depressionen gehabt hatte, dann kommen die schnell wieder, ich wurde also schon so vor den üblichen Nachgeburtsdepressionen gewarnt. Und mit der schwangerschaftsassoziierten Osteoporose hatte ich allen Grund für eine Depression - so meinte es mal ein Freund.
Ängste
Aus der letzten depressiven Phase in der neuen Stadt hatte ich gelernt: verheimliche nicht, dass es dir schlecht geht. Genervt habe ich fremde Leute sowieso nie damit und ich hab mich gefreut, dass z.B. die Nachbarn auch in der akutesten Phase immer andere Gesprächsthemen hatten und sich nicht immer alles um die Krankheit drehte. Ich hab andere Menschen immer als Ablenkung gesehen und war in deren Anwesenheit daher auch immer ganz fröhlich. Das Klagen musste dann leider oft mein Partner aushalten. Er machte mich mal darauf aufmerksam, dass fast alle meine Gespräche begannen mit "Wenn ich jetzt dies und das mache, dann habe ich Angst davor, dass ..." Jetzt erwische ich mich immer noch, dass ich immer wieder klagen bzw. sinnlos meckern könnte ... manchmal kann ich mich davon abhalten, in dem ich mir sage, das bringt nichts. Mir kann niemand helfen, das muss ich schon selbst ertragen. Wenn mir jemand helfen könnte, wäre das sicher schon passiert. Ich würde zwar eine 24-stündige Hilfe für die Kinder auch gern begrüßen, das ist aber finanziell leider nicht drin.
In diesem Jahr gab es mal einen Kalenderspruch der hieß: Kein Mensch kann einem anderen Menschen das Leid abnehmen, aber er kann nur helfen es zu ertragen. Ein wohl theologisch motivierter Ausspruch, ich hab mich oft daran erinnert und mich zusammen gerissen.
Nur einmal waren wir zusammen in einer psychologischen Sprechstunde, zwar wurde mir dort empfohlen, ich sollte mir eine Verhaltenstherapheutin suchen, aber weil ich in der Zeit jemanden bräuchte um auf die Kinder aufzupassen, habe ich es nicht gemacht. Sicher hätte ich da noch einige "Werkzeuge" kennen gelernt. Ich hab also nur laienhaft an meiner psychischen Genesung gearbeitet. Bewegung, frische Luft, Freude an Kinderentwicklung und Gespräche mit Nachbarn und Freunden über andere Themen waren dabei wichtig.
Hoffnung?
Psychotherapheutisches Malen, habe ich mal kurz gleich nach der Diagnose der schwangerschaftsassoziierten Osteoporose gemacht. Drei Skizzen habe ich gezeichnet, in denen ich alle Ängste als Gespenster dargestellt habe. Einige der Ängste wurden auf dem Bild von mir entlassen: wie der Untergang der Zivilisation. Später habe ich das Bild noch mal angeschaut und weitere Ängste den Entlassungsstempel aufgedrückt: dazu gehört die Angst vor weiteren Zusammenbrüchen. Auf einem anderen Bild wollte ich Hoffnung malen, da kam aber nichts tolles dabei raus. Das dritte Bild handelt von mir, dargestellt als ein Pechvogel mit Krücken und Korsett.
Meditation ist ein weiteres Mittel. Ich brauche das hauptsächlich, um den Stress im Kopf los zubekommen, um meine Situation aus einem anderen Winkel zu sehen, um die Schmerzen anzuerkennen und vor allem, um besser schlafen zu können. Viel viel Schlaf finde ich super wichtig gegen diese dunklen Gedanken.
Es gibt ja verschiedene Arten der Meditation: Auf verschiedene Dinge konzentrieren: Atmung, Körperteile, Gedanken nur als Produkt des Kopfes beobachten, das "Jetzt" erfassen, einem Geräusch in die Stille nach lauschen, bemerken wie sich Emotionen anfühlen. Gut fand ich auch eine Meditation, bei der man erstmal akzeptiert, dass jetzt einfach nicht toll ist, sich aber danach dann alles mögliche für die Zukunft wünscht. Vielleicht änlich wie sich was fest wünschen oder beten.
Am effektivsten zur sofortigen Ängstebewältigung war auch der "Computer". Ich hab viel gesurft und wenn es dabei nicht um die Krankheit ging, hat mich das gut abgelenkt. Ein Tablet ist da super dafür geeignet, wenn die Babys daneben schlafen. Wenn sie jetzt munter sind, reisen sie mir das Ding aus Neugier ja aus den Händen. Ich hab Programme immer interessant gefunden und habe viele Apps ausprobiert und z.B. auch Spiele gespielt. Das ist zwar alles unproduktiv, aber war gut fürs Hirn. Auf Bücher hatte ich lange keine Lust, das kommt jetzt aber und Filme waren wegen den Kindern auch nicht immer so einfach anzuschauen.
Noch eine Hilfe gegen dunkle Gedanken kommt zu dieser Jahreszeit gerade wieder: die Sonne.
Ich wünsch allen mit betroffenen Mut und Zuverasicht. Bzw. auch die Kraft anzierkennen, dass es nicht mehr so wird wie vorher, aber trotzdem vielleicht alles wieder schön wird.

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